Die Haare im Wind, ihre behandschuhten Hände am Steuer eines saphirblauen Cabriolets – in voller Geschwindigkeit nimmt Grace Kelly die engen Kurven. Auf dem Beifahrersitz sitzt ein etwas verängstigter Gary Grant. Die mythische Szene stammt aus dem Film «Über den Dächern von Nizza» von Alfred Hitchcock aus dem Jahr 1955.
Rund 27 Jahre später, am 13. September 1982, erlitt sie auf derselben Straße einen Autounfall. Einen Tag später erlag sie mit 52 Jahren ihren Verletzungen – nach der Einwilligung der engsten Familienangehörigen, die lebenserhaltenden Maßnahmen abzubrechen.
Nach der Bekanntgabe des Todes gingen in Monaco die Lichter aus. Denn mit Grace Kelly verlor vor 40 Jahren die Kinowelt eine der bedeutendsten Schauspielerinnen, Monaco eine vielgeliebte Fürstin und Mutter dreier Kinder: Caroline von Monaco, Albert II., seit 2005 Landesherr des Mittelmeerstaates, und Stéphanie von Monaco. Noch heute gilt Grace Kelly alias Gracia Patricia dort als Jahrhundertfürstin. Spuren von ihr finden sich auf dem rund zwei Quadratkilometer großen Landstrich überall: So ist nach ihr eine Avenue am Meer benannt, ein Theater und das Krankenhaus, in dem am 14. September abends ihr Tod festgestellt wurde.
Wie ist es zu dem Unfall gekommen?
Schicksal oder unglaublicher Zufall: Die Fürstin von Monaco stirbt dort, wo sie eine der mythischen Szenen ihrer Schauspielkarriere gedreht hat. Filmreifer Stoff – wie auch die Umstände des Dramas, die noch immer zwischen Wahrheit und Gerüchten schwanken.
Was genau passiert ist, als Grace Kellys Rover 3500 die schmale Departementstraße 37 von La Turbie nach Monaco hinunterfuhr und aus der Haarnadelkurve getragen wurde, ist bis heute unklar. War es ein Schlaganfall? Ein vorausgegangener Streit zwischen ihr und ihrer Tochter? Saß doch Stéphanie am Steuer? Oder war Grace so unglücklich, dass sie absichtlich nicht in der Kurve gebremst hat?
Das Unglück ereignete sich am Morgen des 13. September, als sie zusammen mit Stéphanie im braunen Rover 3500 Roc Agel verließ, ein Riesenanwesen des Fürstenhauses auf den Höhen von Monaco. Auf der Serpentinenstraße stürzte der Sportwagen 40 Meer tief einen Abhang hinab. Dabei wurde sie auf den Rücksitz des Wagens geschleudert. Während Kelly an den Folgen des Unfalls starb, überlebte ihre damals 17-jährige Tochter mit einer Gehirnerschütterung und einem Wirbelbruch.
Sie habe die Handbremse gezogen, wie die heute 57-jährige Stéphanie von Monaco in «Elle s’appelait Grace Kelly» zitiert wird. Das Ziehen der Handbremse halte ein Auto nicht an. Aber in Panik, weil sie etwas tun wollte, tat sie das, was sie glaubte, in dieser Situation tun zu können. In dem im Herbst 2020 mit Zustimmung von Fürst Albert II. im französischen Fernsehen ausgestrahlten Dokumentarfilm erfährt der Zuschauer auch, was ihre letzten Worte an ihre Tochter gewesen sein sollen: «I am sorry», es tut mir leid.
Nach OP ins Koma gefallen
Die Theorie, die damals Minderjährige habe am Steuer gesessen, stützte sich auf Augenzeugen, die berichteten, sie sei aus der Fahrertür geklettert. Eine Behauptung, unter der sie lange litt und die sie bestritt. Auch von weiteren Menschen wurde diese entkräftigt. Ebenso wenig konnten Mutmaßungen über einen Streit bewiesen werden, auch nicht die über Suizidabsichten der Fürstin.
Auch Behandlungsfehler konnten nicht nachgewiesen werden. Erste Untersuchungen ergaben, dass sie an einem Gehirnhämatom litt, das zu Bewusstlosigkeit und damit zum Verlust der Kontrolle über ihr Fahrzeug geführt habe. Nach einer mehrstündigen Operation fiel sie ins Koma und in einen Zustand des Hirntods.
Ihre Beerdigung am 16. September wurde im Fernsehen übertragen – so wie ihre feierliche Trauung im Jahr 1956 mit dem 2005 verstorbenen Fürst Rainier III. Mehr als 30 Millionen Zuschauer verfolgten die Zeremonie in der Kathedrale von Monaco, die am 19. April stattfand, einen Tag nach der standesamtlichen Eheschließung. Kennengelernt hatte sich das Paar ein Jahr zuvor auf den Filmfestspielen von Cannes.
Mit Hitchcock die Filmkarriereleiter hinaufgeklettert
Mit ihrer neuen Rolle als Fürstin von Monaco gab die am 12. November 1929 in Philadelphia geborene amerikanische Schauspielerin ihre kometenhafte Karriere auf, was dem fürstlichen Hollywoodstar nicht einfach fiel. Denn mit nur 25 Jahren gehörte die strenge Schönheit bereits zu Amerikas großen Charakterdarstellerinnen.
Auch wenn es der Film «Mogambo» mit Clark Gable unter der Regie von John Ford war, der sie bekannt machte, war es dennoch der Meister der Spannung, Alfred Hitchcock, der sie in den Rang eines Mythos stellte. Seine Filme «Das Fenster zum Hof» (1954), «Bei Anruf Mord» (1954) und «Über den Dächern von Nizza» (1955) machten sie zum gefeierten Star.
Mit erst 25 Jahren gewann sie einen Oscar für ihre Rolle in dem Filmdrama «Ein Mädchen vom Lande» von George Seaton. Und mit nur 26 schlüpfte sie wohl in eine ihrer schwierigsten Rollen, die der Fürstin Gracia Patricia von Monaco, die sie bis zu ihrem Tod allerdings perfekt spielte.