ARAG Expertin Kathrin Kรถhler รผber rechtliche Konsequenzen des Cybermobbings
Cybermobbing ist vor allem unter Jugendlichen weit verbreitet. Laut lรคnderรผbergreifender Trendstudie ARAG Digital Risks Survey ist jeder vierte Schรผler in Deutschland bereits mindestens einmal Opfer von Cybermobbing geworden. Und die Gefahr, im Netz gemobbt zu werden, wรคchst. Mehr als 30 Prozent der Schulen verzeichnen einmal pro Woche einen Fall von Cybermobbing. Doch Opfer sind nicht wehrlos. Es ist mรถglich, Cybermobber zu verklagen. Anlรคsslich des Behaupte-Dich-gegen-Mobbing-Tages am 22. Februar verrรคt ARAG Expertin Kathrin Kรถhler im Interview, wie sich Betroffene wehren kรถnnen.
Was sagt das Gesetz zum Cybermobbing?
Kathrin Kรถhler: Es existiert in Deutschland kein spezielles Cybermobbing- oder Mobbing-Gesetz. Aber es gibt eine ganze Menge einzelner Straftatbestรคnde, die beim Cybermobbing relevant werden und weitreichende strafrechtliche Folgen fรผr den Tรคter nach sich ziehen kรถnnen. Schon bei einem Verdacht einer Straftat muss die Polizei Ermittlungen aufnehmen, auch wenn der Verdรคchtige anonym ist. Zwar ist die Meinungsfreiheit nach Artikel 5 des Grundgesetzes ein wichtiges und verfassungsrechtlich geschรผtztes Grundrecht, aber wenn damit die persรถnliche Ehre einer anderen Person stark angegriffen und damit in deren Grundrechte eingegriffen wird, kann man Cybermobber auf Unterlassung oder Schmerzensgeld verklagen. Ein Zivilgericht kann beispielsweise in ernsten Fรคllen einstweilige Verfรผgungen erlassen.
Welche Gesetze kรถnnen beim Cybermobbing zur Anwendung kommen?
Kathrin Kรถhler: Da gibt es gleich mehrere Straftatbestรคnde. Zunรคchst wรคre da die Beleidigung nach dem Strafgesetzbuch (StGB), Paragraf 185. Wer andere Personen beschimpft oder beleidigt, macht sich strafbar. Dazu gehรถren auch รuรerungen oder Handlungen, die andere in ihrer Ehre verletzen oder demรผtigen. Beleidigungen im Netz werden mit Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder mit einer Geldstrafe bestraft. Beleidigung ist รผbrigens die mit Abstand hรคufigste Form von Cybermobbing. Eine Studie geht von 74 Prozent aus.
Das Verbreiten von Gerรผchten ist die zweithรคufigste Art, im Netz zu mobben. Bei mehr als jeder zweiten Tat handelt es sich um sogenannte รผble Nachrede und Verleumdung nach den Paragrafen 186 und 187 StGB. Dabei werden beispielsweise in einschlรคgigen Foren und in sozialen Netzwerken absichtlich Unwahrheiten รผber jemanden verbreitet. Das Ziel ist, dem Ansehen der Person zu schaden. Und das ist ebenfalls strafbar. Die รผble Nachrede kann mit einer Geldstrafe oder mit bis zu zwei Jahren Gefรคngnis bestraft werden; die Verleumdung sogar mit bis zu fรผnf Jahren.
Welche Form des Mobbings wir aber auf keinen Fall unerwรคhnt lassen sollten, ist der Ausschluss aus Gruppen. Hiervon sind immerhin 38 Prozent der Opfer betroffen. Und die Fรคlle von sozialer Ausgrenzung steigen rasant. Das Problem dabei ist, dass hier keine echte Straftat vorliegt und eine aktive Strafverfolgung nicht mรถglich ist. Hier wรคre es umso so wichtiger, dass Opfer sich Hilfe suchen, z. B. bei Eltern, Lehrern, Freunden oder dass sie Hilfsangebote wahrnehmen.
Viele Jugendliche stellen sehr viele, teilweise peinliche Bilder oder Videos von sich ins Netz. Mรผssen sie dann nicht damit rechnen, dass jemand das Material missbraucht?
Kathrin Kรถhler: Jeder Mensch hat ein Recht am eigenen Bild. Niemand muss es hinnehmen, dass Bilder oder Videos ungefragt auf TikTok, Instagram und Co. geteilt und gepostet werden. Zumindest dann nicht, wenn das Material nur in einen privaten Account gestellt wurde, der auch fรผr Suchmaschinen nicht zugรคnglich ist. Dabei geht es nicht nur um kompromittierende Bilder, sondern generell um das eigene Bild oder auch Video- und Tonaufnahmen. Das Material darf nur verbreitet werden, wenn die abgebildete Person eingewilligt hat. Das trifft gleichermaรen auf die analoge und die digitale Welt zu. Hiergegen kann man mit Zivilklagen und Strafanzeigen wegen Verletzung der Persรถnlichkeitsrechte vorgehen.
Gibt es weitere typische Strafbarkeiten im Zusammenhang mit Cybermobbing?
Kathrin Kรถhler: Die gibt es in der Tat. So ist ein weiterer typischer Straftatbestand beim Cybermobbing die Nรถtigung nach Paragraph 240 StGB, bei dem das Opfer mit Gewalt oder der Androhung von Gewalt zu etwas gezwungen wird. Auch die Bedrohung nach Paragraf 241 StGB ist durchaus verbreitet. Dazu gehรถrt beispielsweise das Androhen von kรถrperlicher Gewalt oder sogar Mord. Es ist schon strafbar, nur vorzutรคuschen, dass ein Verbrechen bevorsteht. Wenn die Drohung dann auch noch รถffentlich in Chat-Gruppen und Foren verbreitet wird, kann sich das Strafmaร nun auf bis zu drei Jahre Freiheitsentzug erhรถhen. Der Strafrahmen wurde 2021 verdreifacht. รbrigens: Seit Februar 2022 mรผssen soziale Netzwerke Mord- und Vergewaltigungsdrohungen und andere schwere Hassdelikte nicht mehr nur lรถschen, sondern dem Bundeskriminalamt melden.
Wo finden Opfer von Cybermobbing Hilfe?
Kathrin Kรถhler: Ich rate Betroffenen dringend, sich umgehend an eine Vertrauensperson zu wenden. Man muss sich auf keinen Fall schรคmen, dass man gemobbt wird. Das kann jedem passieren, auch wenn man selbst gar nicht online unterwegs ist. Und man kann und muss Cybermobber verklagen. Gerade bei Kindern und Jugendlichen ist es sehr wichtig, dass sich Erwachsene einschalten, weil Mobbing eben eine Straftat ist! Wer den Gang zu Eltern oder Lehrern dennoch scheut, kann zahlreiche anonyme Hilfsangebote wahrnehmen. Die Nummer gegen Kummer (116 111) ist ein schnell erreichbares niedrigschwelliges und anonymes Beratungsangebot. Bei der bundesweiten Online-Beratungsplattform JUUUPORT.de oder dem Online-Angebot Cybermobbing-Hilfe bekommen Kinder und Jugendliche Hilfe von anderen Jugendlichen. Auch die Polizei kennt Hilfeeinrichtungen und Beratungsstellen in der Nรคhe des eigenen Wohnortes.
รbrigens:
Mit der Initiative „Hass streichen“ setzt die ARAG sich aktiv gegen jede Form von Cybermobbing ein und bietet jede Menge Hilfestellung zum Thema. Betroffene finden hier wichtige Tipps dazu, wie sie richtig auf Angriffe im Netz reagieren:
https://www.arag.com/de/cybermobbing/
Damit es gar nicht erst soweit kommt, engagiert sich die ARAG auรerdem aktiv fรผr Prรคvention und Konfliktmanagement an Schulen, zum Beispiel durch den Einsatz von Schulmediatoren, und leistet Aufklรคrungs- und Forschungsarbeit:
https://www.konfliktmanagement-an-schulen.de/
Die ARAG ist das grรถรte Familienunternehmen in der deutschen Assekuranz und versteht sich als vielseitiger Qualitรคtsversicherer. Sie ist der weltweit grรถรte Rechtsschutzversicherer. Aktiv in insgesamt 19 Lรคndern – inklusive den USA, Kanada und Australien – nimmt die ARAG รผber ihre internationalen Niederlassungen, Gesellschaften und Beteiligungen in vielen internationalen Mรคrkten mit ihren Rechtsschutzversicherungen und Rechtsdienstleistungen eine fรผhrende Position ein. Ihren Kunden in Deutschland bietet die ARAG neben ihrem Schwerpunkt im Rechtsschutzgeschรคft auch eigene einzigartige, bedarfsorientierte Produkte und Services in den Bereichen Komposit und Gesundheit. Mit rund 4.700 Mitarbeitenden erwirtschaftet der Konzern ein Umsatz- und Beitragsvolumen von 2 Milliarden Euro.
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