Der russische Angriff auf die Ukraine hat bei BAP-Sänger Wolfgang Niedecken (70) Erinnerungen an die Kubakrise im Jahr 1962 wachgerufen. Damals standen die Supermächte USA und Sowjetunion kurz vor einer offenen Konfrontation mit einem möglichen Atomkrieg.
«Ich war damals elf und auf einem Internat», erzählte der Rockmusiker («Verdamp lang her») der Deutschen Presse-Agentur in Köln. «Und da redeten die Großen plötzlich vom Dritten Weltkrieg. Da hab‘ ich Angst bekommen und an meine Eltern geschrieben.»
Eigentlich musste er alle Briefe in dem katholischen Internat in Rheinbach bei Bonn vorlegen. «Aber diesen Brief hab‘ ich an der Zensur vorbeigeschmuggelt, indem ich ihn mit den unabgestempelten Briefmarken meiner Briefmarkensammlung beklebt habe.» Er bat seine Eltern, ihn unverzüglich abzuholen, weil er nicht allein im Internat sein wolle, wenn jetzt der Krieg losgehe.
«Naiv natürlich, aber das war eben ein kleiner Junge in Kriegsangst, der seinen Eltern sagt: Holt mich hier weg und beschützt mich!» Seine Eltern hätten sich daraufhin sofort ins Auto gesetzt, seien zu ihm gefahren und hätten ihn beruhigt.
Seitdem habe es noch manchen schlimmen Krieg gegeben, etwa im ehemaligen Jugoslawien und im Irak. Diese Konflikte hätten aber anders als der jetzige russische Angriff auf die Ukraine nicht das Potenzial gehabt, sich zu einem europaweiten Krieg auszuweiten, sagte Niedecken. Erschüttert sei er über die Skrupellosigkeit, mit der Kremlchef Wladimir Putin seine Lügen verbreite. «Da läuft es einem kalt den Rücken herunter.» Die Situation zeige einmal mehr, wie wichtig seriöse, unabhängige Medien seien, aus denen man sich informieren könne.
Mit der derzeitigen Lage richtig umzugehen, sei überaus schwierig, so der Rocksänger. Einerseits gelte es, Entschlossenheit zu zeigen und härteste Sanktionen zu erlassen – andererseits müsse eine weitere Eskalation unbedingt vermieden werden. «Jetzt bloß nicht auf die Scharfmacher hören», warnte Niedecken. «Das wäre das Allerschlimmste.» Gespannt sei er darauf, wie geeint die Front der EU-Länder bleibe, falls nun bald ein Flüchtlingsstrom aus der Ukraine in Gang kommen sollte.