Donnerstag, 21 November 2024

Gender-Code geknackt von Dr. Johanna Dahm

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Gender-Code geknackt 

Wie Teamentscheidungen in Unternehmen besser gelingen kรถnnen

von Dr. Johanna Dahm

Dr. Johanna Dahm
Dr. Johanna Dahm

Warum werden Gender-Ziele nicht erreicht und erzeugen soviel Aggression? Und warum werden Entscheidungen in Unternehmen generell immer mehr aufgeschoben? Frankfurter Unternehmensberaterin deckt Zusammenhang auf und baut mit Finanzkunden Teams erstmals um: mit Erfolg.

Unternehmen liegen Entscheidungen nach wie vor in Mรคnnerhand: das Deutsche Institut der Wirtschaft (DIW) zรคhlt in den Vorstรคnden der 30 DAX-Unternehmen nur 12,8 Prozent Frauen, in den Aufsichtsrรคten immerhin 34,4 Prozent. AuรŸerhalb des DAX kommen die 160 grรถรŸten deutschen Unternehmen gerade einmal auf 7,4 Prozent weibliche Vorstรคnde (Aufsichtsrรคte 30 Prozent). Eine Schweizer Privatbank will das Ungleichgewicht jetzt nicht nur รผber Rekrutierungen schneller lรถsen, sondern auch an der Basis besser verstehen. Die Organisation stellt sich zusammen mit der Frankfurter Entscheidungsexpertin Dr. Johanna Dahm dem Thema โ€žEntscheidung und Geschlechtโ€œ: Die Geschรคftsleitung des Finanzhauses beobachtet schon seit Jahren, dass Mรคnner und Frauen oft unterschiedliche Herangehensweisen und Perspektiven haben, wenn es um Entscheidungen geht. Die einfache Frage: wer entscheidet besser?

Mรคnner entscheiden anders, Frauen auch

Seitens der Organisationsentwicklung Andrea G. erfolgte dazu folgende Stellungnahme: โ€žWir glaubten die Tendenz zu beobachten, dass Mรคnner schneller Entscheidungen fordern und sich dabei eher auf Fakten und Daten stรผtzen. Umgesetzt werden jedoch allenfalls 50% der Vorhaben. Frauen hingegen schienen uns etwas zurรผckhaltender, dafรผr aber eine ganzheitliche Perspektive, emotionale Aspekte und zwischenmenschliche Beziehungen zu berรผcksichtigen. Allerdings haben wir gerade einmal 11.7% Frauen in Fรผhrungspositionen und unsere Beobachten waren da sicherlich subjektiv und verallgemeinernd. Wir wollten Klarheit haben und wissen, was in welcher Situation die bessere Herangehensweise sein kรถnnteโ€œ.

Einbindung aufgrund von Fairness ist zu wenig 

Johanna Dahm kennt die Diskussion um Diversity, Equity & Inclusion (DE&I), die sie in mehreren Unternehmen verantwortete und bestรคtigt die Wahrnehmung aus der Bank: โ€žIn vielen Unternehmen gibt es noch zu wenig Diversitรคt und allein darum eine zu homogene Entscheidungsfindung. Es ist in Unternehmen verstanden worden, dass gerade komplexe Probleme diskursive Ansรคtze brauchen. Bislang wurde mehr aus vermeintlich weichen Faktoren wie Fairness oder Kundenzentrierung fรผr Geschlechterneutralitรคt geworben. Jedoch gab es keine Messbarkeit, ob Teams die besseren Entscheidungen treffen, die aus verschiedenen Perspektiven bestehen oder gar eher weiblich besetzt sind. Dieser Code  scheint jetzt geknacktโ€œ sagt die jรผngst mit dem Experten-Award ausgezeichnete promovierte Beraterin. Sie forscht auch mit universitรคren Arbeitsgruppen und hat ihre ganze Berufstรคtigkeit dem Thema Entscheidungsfindung und Entscheidungsmanagement gewidmet.

Meilenstein in der Entscheidungsforschung

โ€žBislang zielte die Forschung eher auf eine Beweisfรผhrung durch โ€žBlindingโ€œ, also Anonymisierung bzw. Negierung der Geschlechter: die Meinungen aller Teammitglieder wurde anonymisiert eingeholt und zusammengefรผhrt, um eine gemeinsame Entscheidung zu treffen. Durch den Einsatz von Technologie funktioniert die Sammlung und Auswertung auch effizient und prรคzise. Allerdings verzichten diese Prozesse dann auf Austausch und Dialog, der den Entscheidungen ja vorausgeht. Und gerade im Meinungsaustausch in gemischten Teams beobachten wir, ob Regeln des gegenseitigen Zuhรถrens, Ausredenlassens und Respektieren, der offenen Kommunikation als Grundlage von Entscheidungen die Regeln eingehalten werden – und meistens ist das eben nicht soโ€œ, konstatiert Dahm.

Auf Basis Mainzer und amerikanischer Studien ist Johanna Dahm zusammen mit Neurowissenschaftlern der Ursache dieser Differenzen nรคhergekommen. Sie wollte wissen, warum 

  • trotz harter Diskussionen, Frauenquoten etc. die Gender-Ziele nicht erreicht werden
  • keines der Nachhaltigkeitsziele soviel Unmut erregt wie die Diskussion um Gender-Diversity
  • zugleich die Prokrastination (Tendenz zum Entscheidungsaufschub) in mรคnnerdominierten (+85% Mรคnnerquote) Firmen immer stรคrker zunimmt

Mรคnner im Management erschรถpft 

โ€žWir haben uns die Zusammenhรคnge von Primatenforschung, soziologischem Geschlecht, Hormonforschung und empirischen Studien in den Unternehmen ganz genau angeschaut und festgestellt: Eine mรคnnliche Dominanz in Unternehmen, Teams oder Fรผhrungsetage fรผhrt zwar zu einem Anstieg an Aggression (Testosteron), die durchaus wertvoll genutzt werden kann: der feste Glauben an Rationalitรคt, grosse Ziele und starke Fรผhrung funktioniert solange, wie die Ergebnisse stimmen. Inzwischen aber korreliert sie nicht mehr mit der Abschlussqualitรคt, der Umsetzung oder Zielerreichung. Im Gegenteil: Der dauerhaft erhรถhte Stresspegel im Management fรผhrt messbar zu

  • Erschรถpfung
  • Versagensangst
  • Depression

โ€žDarum leiden immer mehr Mรคnner gerade im mittleren Management an Entscheidungsmรผdigkeit und bereiten die so dringenden Grundlagen fรผr die Entscheidungen im Top-Management gar nicht mehr vor. 9 von 10 Fรผhrungskrรคften gesteht offen ein, gar nicht mehr entscheiden zu wollen, im Ernstfall auch nicht รผber Wissen und Instrumente zu verfรผgen, eine seriรถse Entscheidung treffen zu kรถnnenโ€œ, so Dahm. Das  erklรคre ebenso die vielen aufgeschobenen Projekte wie explodierenden Kosten. Der Sanierungsstau der Bundesrepublik sei genauso Zeugnis dafรผr wie verschlafene Digitalisierungsprojekte oder die nur zรถgerlich angegangene Nachfolgeplanung im Mittelstand. โ€žWir konnten jetzt zeigen: Ein ausgewogenes Geschlechterverhรคltnis fรผhrt dagegen zu weniger Stress und mehr Ergebnisโ€œ, so Dahm. โ€žOb es um schnelle Entscheidungen, Investitionen oder langfristige Planungsprojekte geht, die Mischung machtโ€™sโ€œ, so die Beraterin.

3 Schritte zu besseren Teamentscheidungen

Im Falle der Schweizer Privatbank werden nun die Teams neu gemischt. Es ginge gar nicht darum, mit Ach und Krach Frauen in Fรผhrungspositionen zu befรถrdern sondern Menschen nach Kompetenz und Potenzialen zu fรถrdern und zugleich fรผr die Bank die besten Ergebnisse zu erzielen, so die Organisationsentwicklung. Darum sind die Teamleiter aufgefordert, Rollen und Verantwortlichkeiten neu zu verteilen:

  1. Workshops mit Doppelmoderation

Die Diskussion รผber Jahresziele oder fรผr Projekte nahm bislang zu viel Raum ein, brachte aber bislang nicht die gewรผnschte Klarheit und Prรคzision: โ€žOffen gestanden waren die Formulierungen wiederkehrend und trafen nicht, was die Geschรคftsleitung sich wรผnschteโ€œ; so Andrea G. Darum hat sie mit Johanna Dahm ein kleines, aber penibel gemischtes Ziel-Team zusammengesetzt, dass doppel-moderiert wird: โ€žmรคnnliche Zielsetzung gepaart mit weiblicher Genauigkeitโ€œ, weiss die Beraterin, wirkt am besten und schnellsten. Dazu legt sie Wert auf klare, kompromisslose und konkrete Formulierungen. โ€žDas verlangt nach ein bisschen รœbung, entfacht aber auch den Sportsgeist!โ€œ

  1. Frauen schauen Voraus

Was bislang eher als stรถrend und entschleunigend empfunden wurde, wird jetzt gefeiert: Frauen verfรผgen dank ihrer Amygdala (Hirnregion, die fรผr emotionalen Abgleich von Erinnerung und Gegenwart zustรคndig ist) รผber ein ausgeprรคgtes vorausschauendes Denken. Darum sind ihre Einwรคnde und vorausgesehenen mรถglichen Engpรคsse jetzt willkommen, wo reine Mรคnner-Teams manchmal allzu schnell und risikofreudig unterwegs sind. Dahm rรคt dazu, Frauen nicht nur stรคrker einzubinden, sondern ihren Beitrag auch zu wรผrdigen. Sie weiรŸ aber auch: Das ist eine kulturelle Entwicklung, die das wegen der soziologischen Geschlechter-Erziehung eher noch schwer fรคllt (Frauen schwach, Mรคnner stark) und Zeit brauchen wird.

  1. Doppelspitze gegen den Aufschub

Alternative Wege zum Ziel werden von nun an mit einberechnet, damit ein Scheitern des ersten Versuches gar nicht erst zur Frustration fรผhren kann. โ€žUnd wir besetzen Projektteams nicht mehr allein mit einer mรคnnlichen oder weiblichen Fรผhrung, wir setzen jetzt auf Doppelspitzen und nutzen die Stรคrke von beidenโ€œ, so Andrea G. Ihre eigene Messlatte liegt hoch, sie weiss, dass die Herausforderungen in Gegenwart und Zukunft so gross und so wichtig sind, dass sie nicht an biologischen Merkmalen und Vorurteilen scheitern darf.

Die Rolle der Kรผnstlichen Intelligenz

Andrea B und die Bank sind auf die Ergebnisse dieser Team-Organisationsphase gespannt, haben sich aber auch lรคngst auf die Chancen der kรผnstlichen Intelligenz etwa im Recruiting vorbereitet. Bewerbungsunterlagen sollen hinsichtlich Namen, Geschlechtsangaben etc. anonymisiert werden. Eine grรถssere Herausforderung wird in der Kandidaten-Auswahl gesehen, denn auch hier sollen Entscheidungen teamorientiert und nicht nach ร„hnlichkeit und Identifikation erfolgen. โ€žAber was in anderen Unternehmen funktioniert hat, wird hier auch klappen und das bedeutet wiederum ein besseres Klima und mehr Entscheidungsqualitรคt in diesem Unternehmen, einem echten Vorbild fรผr viele andereโ€œ, lobt Dahm.

Dahm, International Consulting, CEO Dr. Johanna Dahm
Die Unternehmensberaterin und Entscheidungs-Expertin unterstรผtzt seit mehr als 20 Jahren Menschen und Organisationen in der Geschรคftsfeld- und Leadership-Entwicklung. Mehr u.a. Im Handbuch fรผr Unternehmer: https://das-unternehmerhandbuch.de/unentschlossenheit-entscheidungen/

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