Freitag, 15 November 2024
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Sonne, Strand, Schatten, Schmerz – Brian Wilson wird 80

Irgendwie passt es, dass diese beiden weltberühmten Musiker mit ihren runden Geburtstagen so nah beieinander liegen: Paul McCartney, der am 18. Juni 80 Jahre alt wurde, und Brian Wilson, der ihm nun am 20. Juni folgt – zwei der größten Ikonen der Popmusik, zugleich Konkurrenten, Weggefährten und wohl sogar Freunde.

Wobei der kalifornische «Beach Boy» Wilson auch wegen diverser Lebenskrisen und Karrierebrüche nie dieselbe globale Popularität erlangt hat wie der beständigere Beatles-Sonnyboy McCartney, von vielen Experten aber ebenso verehrt wird. Letztlich führte der Brite den US-Amerikaner im Jahr 2000 mit einer respektvollen Laudatio in die «Songwriters Hall of Fame» ein. Sir Paul dankte Wilson, weil der ihn mit Musik «zum Weinen gebracht hat – ein Beweis für sein Genie».

Himmlische Harmonien

An Wilsons Legendenstatus haben vor allem zwei Beach-Boys-Alben Anteil, die in den meisten Kritiker-Ranglisten zu den wichtigsten Platten aller Zeiten gezählt werden. Diese beiden Song-Sammlungen führten maßgeblich dazu, dass der am 20. Juni 1942 in Inglewood bei Los Angeles geborene Musiker als «der vermutlich größte amerikanische Komponist von populärer Musik in der Rock-Ära» (so das Lexikon Allmusic) bezeichnet wird. Rockstar Bruce Springsteen lobte in der Dokumentation «Brian Wilson: Long Promised Road»: «Eine großartigere Welt als die der Beach Boys wurde im Rock’n’Roll nie wieder erschaffen.» Stets spüre man «Freude sogar im Schmerz des Lebens».

Zum einen ist da «Pet Sounds» (1966) hervorzuheben, ein von kalifornischer Sonne, aber auch Melancholie durchströmter Tagtraum voller himmlischer Harmonien, grandioser Chorgesänge und «Pocket Symphony»-Arrangements. Zum anderen «Smile», das an Wilsons Songschreiber-Reißbrett als Mega-Meisterwerk angelegt war, die besten Beatles-Alben übertreffen sollte – und dann wegen Band-Konflikten und der Drogenprobleme des Chefs ein Projekt blieb. Erst knapp 40 Jahre später feierte «Smile», eingespielt von dem inzwischen hörbar gealterten Komponisten mit einer versierten Band junger Verehrer, als vollständiges Werk Premiere – und die Magie war immer noch da.

Mit «Surfin‘ Safari», «Surfin‘ U.S.A.» und «Surfer Girl» hatte der Aufstieg der Beach Boys, zu denen die drei Wilson-Brüder Brian, Carl und Dennis, ihr Cousin Mike Love und der Schulfreund Al Jardine gehörten, 1962/63 recht monothematisch begonnen. Die erfolgreichen, aber hübsch harmlosen Hymnen auf das Strandleben und seine weiblichen Attraktionen wollte der von einem überehrgeizigen Vater gedrillte Kreativkopf Brian Wilson schon bald mit großer Experimentierfreude und bis dahin ungehörter Studio-Raffinesse in den Pop-Olymp erheben.

Von wegen nur Strand und Surfen

Dass der gerade erst dem Teenager-Alter entwachsene Sänger und Pianist mit Sand und Surfen gar nicht so viel anfangen konnte, tat dem künstlerischen Triumph seiner hochkomplexen Musik keinen Abbruch. Mit meisterhaften Liedern wie «Good Vibrations», «Barbara Ann», «God Only Knows», «Wouldn’t It Be Nice» oder «Heroes And Villains» schaffte es Wilson tatsächlich auf das angestrebte Beatles-Niveau, ehe private und gesundheitliche Probleme den nur scheinbar ewig sommerlichen kalifornischen Horizont eintrübten.

Seine Band machte mit abnehmendem Erfolg weiter, während der unglückliche Strandjungs-Chef zeitweise umnachtet zurückblieb und nur noch sporadische – oft aber herausragende – Song-Beiträge lieferte. Besonders die Alben «Sunflower» (1970), «Surf’s Up» (1971) und «Love You» (1977) gelten als Schmuckstücke der schwierigen 70er Jahre, ehe die Beach Boys, inzwischen angeführt vom geschäftstüchtigen Mike Love, zu einer kaum noch substanziellen Oldie-Truppe mutierten. Erst «That’s Why God Made The Radio» (2012), nun wieder mit Brian Wilson, entwickelte nochmals einen wunderbaren Retro-Zauber.

Als Solokünstler – angefangen mit dem selbstbetitelten Comeback-Album von 1988 über «Orange Crate Art» (1995) bis «In The Key Of Disney» (2011) – hat Wilson erstaunlich oft begeistert, gerade angesichts seiner schwer angeschlagenen Gesundheit. In denkwürdigen Konzerten mit den nie verstaubenden Sixties-Songperlen erlangte der inzwischen sehr fragil wirkende, in Interviews äußerst wortkarge Musiker eine tief berührende Präsenz.

In einer Mitteilung zum neuesten Album «At My Piano», auf dem der 79-Jährige einige seiner Klassiker neu interpretierte, erzählte Wilson: «Wir hatten ein Klavier in unserem Wohnzimmer, und seit ich 12 Jahre alt war, habe ich jeden Tag darauf gespielt. Ich hatte nie Unterricht, ich war völliger Autodidakt. (…) Ich spiele es, wenn ich glücklich oder traurig bin. Ich liebe es, für andere zu spielen, und ich liebe es, allein zu spielen, wenn niemand zuhört. Ehrlich gesagt, das Klavier und die Musik, die ich darauf mache, haben mir wahrscheinlich das Leben gerettet.»

Letzteres trifft wohl auch auf Melinda Ledbetter zu, die Wilson 1995 heiratete. Sie stützt ihn im beschwerlichen Alter und hat auch sein Management übernommen. Aus der 1978 geschiedenen Ehe mit seiner Jugendfreundin Marilyn Rovell waren zwei Töchter hervorgegangen: Carnie und Wendy, beide später in der zeitweise recht erfolgreichen Girl-Band Wilson Phillips. Den 80. Geburtstag feiern könnte die Familie an diesem Montag (20.6.) vor oder nach einem Konzert: Brian Wilson tritt dann laut Tournee-Plan in Kansas City auf.

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