ARAG Experte Tobias Klingelhรถfer mit interessanten Urteilen aus der Arbeitswelt
Informationsaustausch รผber Arbeitnehmer kann Persรถnlichkeitsrechte verletzen
Um das Persรถnlichkeitsrecht von Arbeitnehmern zu schรผtzen, ist es einem ehemaligen Arbeitgeber nicht ohne Weiteres erlaubt, Informationen รผber frรผhere Angestellte an deren neuen Arbeitgeber zu รผbermitteln. Dennoch weisen die ARAG Experten darauf hin, dass ein Arbeitnehmer dies hinnehmen muss, wenn die Relevanz der Informationen das Persรถnlichkeitsrecht รผberwiegt. Arbeitgeber sind grundsรคtzlich zum Beispiel nicht daran gehindert, รผber das Verhalten und die Lesitung eines Arbeitnehmers zu informieren. Im vorliegenden Fall bekam allerdings eine Pflegekraft Recht, deren frรผherer Arbeitgeber den neuen Vorgesetzten warnen wollte: Die Frau habe unter anderem unentschuldigt gefehlt. Entscheidend fรผr die Richter war jedoch unter anderem, dass es wรคhrend der Beschรคftigung keine Abmahnung gegeben hatte und das Fehlverhalten somit erst im Anschluss bemรคngelt wurde. Dadurch entstand der Eindruck, der ehemalige Arbeitgeber wolle der Frau im Nachgang schaden. Die notwendige Relevanz der Information sei nicht gegeben und die Verletzung ihres Persรถnlichkeitsrechts รผberwiege (Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Az.: 6 Sa 54/22).
Prรผgelnder Arbeitnehmer nicht unfallversichert
Der Bauleiter hatte einen ganz miesen Tag erwischt. Als erstes musste er morgens wohl oder รผbel auรerhalb des Betriebsgelรคndes parken, da die Firmen-Einfahrt von einem Lkw versperrt war und der Fahrer nicht bereit war, den Lkw zu bewegen. Als der Bauleiter kurze Zeit spรคter zu einem geschรคftlichen Termin musste und zu seinem Wagen ging, wurde er vom Lkw-Fahrer auch noch verbal attackiert: Das „egoistische Arschloch“ lieร die Hutschnur des Bauleiters reiรen. Schon bei seinem Fahrzeug angelangt, machte er kurzerhand kehrt, um die Angelegenheit endgรผltig zu klรคren. Bei der folgenden Schlรคgerei zog er aber den Kรผrzeren und erlitt eine Mittelgesichtsfraktur. Zu allem รbel wurde seine Verletzung nicht als Arbeitsunfall anerkannt und war damit kein Fall fรผr die gesetzliche Unfallversicherung. Die ARAG Experten weisen auf das entscheidende Detail hin: Wรคhrend es sich bei dem Weg zu seinem auรerhalb des Firmengelรคndes geparkten Fahrzeugs um einen versicherten Betriebsweg gehandelt hat, war die Rรผckkehr zum Lkw-Fahrer rein privater Natur. Damit hatte der Bauleiter seinen Betriebsweg buchstรคblich verlassen und seinen Versicherungsschutz verloren (Sozialgericht Berlin, Az.: S 98 U 50/21).
Unangekรผndigte รberprรผfung des hรคuslichen Arbeitszimmers rechtswidrig
Steht ein Steuerfahnder des Finanzamtes ohne vorherige Anmeldung vor der privaten Wohnungstรผr, um das angemeldete Arbeitszimmer in Augenschein zu nehmen, so muss der Besitzer ihn laut ARAG Experten nicht hineinlassen und hat dennoch keinen Nachteil zu befรผrchten. Im vorliegenden Fall hatte der zustรคndige Sachbearbeiter des Finanzamtes die Angaben einer selbststรคndigen Unternehmensberaterin fรผr klรคrungsbedรผrftig gehalten und im nรคchsten Schritt eine unangekรผndigte Wohnungsbesichtigung eingeleitet. Die รผberrumpelte Steuerpflichtige hatte dem Fahnder geรถffnet, anschlieรend geklagt und Recht bekommen: Der Schutz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 Grundgesetz) hat nach richterlicher Ansicht Vorrang (Bundesfinanzhof, Az.: VIII R 8/19).
Keine SMS nach Dienstschluss
ARAG Experten weisen darauf hin, dass Arbeitnehmer nach Feierabend nicht verpflichtet sind, dienstliche SMS zu lesen. In einem konkreten Fall hatte ein Notfallsanitรคter mehrfach nicht oder zu spรคt auf die Nachrichten seines Chefs reagiert, weil er bereits im Feierabend war. Es ging in beiden Fรคllen um die spontane รbernahme von Bereitschaftsdiensten. Zwar konnte der Chef die Schichten anders besetzen, trug die Dienste bei seinem nicht erreichbaren Mitarbeiter aber als unentschuldigtes Fehlen ein, fรผr das es zunรคchst eine Ermahnung, spรคter sogar eine Abmahnung gab. Das lieร sich der Notfallsanitรคter jedoch nicht gefallen und klagte. In zweiter Instanz bekam der Mann Recht. Das Urteil: Die Nichterreichbarkeit in der Freizeit diene dem Gesundheits- und dem Persรถnlichkeitsschutz. Daher genรผgt es, dienstliche SMS erst mit Beginn der Arbeitszeit zu lesen (Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Az.: 1 Sa 39 รถD/22).
Dank und Bedauern keine Pflicht im Arbeitszeugnis
Auch wenn ein Arbeitszeugnis รผblicherweise mit Schlussfloskeln wie dem Dank fรผr die geleistete Arbeit und dem Bedauern รผber das Ausscheiden endet, kรถnnen Arbeitnehmer dies nicht einklagen. Allerdings weisen ARAG Experten darauf hin, dass es einen gesetzlichen Anspruch auf ein wahres und wohlwollendes Arbeitszeugnis gibt. In ihrem aktuellen Urteil fahren die Richter somit weiterhin dieselbe harte Linie, die sie bereits in mehreren frรผheren Urteilen verfolgt hatten. Mehrere Landesarbeitsgerichte hatten zwischenzeitlich versucht, eine รnderung dieser Rechtsprechung herbeizufรผhren, aber dennoch: Selbst wenn das Fehlen von Zukunftswรผnschen ein gutes Zeugnis gefรผhlt abwertet, kann der Arbeitgeber zu derartigen Schlussformeln nicht verpflichtet werden (Bundesarbeitsgericht, Az.: 9 AZR 146/21).
Kollegen auf der Toilette eingesperrt – fristlose Kรผndigung rechtens
Einen Streich mit weitreichenden Folgen hat sich ein Lagerist erlaubt und den Kรผrzeren gezogen: Nachdem er seinen Kollegen auf der Toilette eingesperrt hatte und dieser gezwungen war, die Tรผr einzutreten, erhielt der Scherzkeks die fristlose Kรผndigung. Seine Klage vor dem Arbeitsgericht Siegburg blieb erfolglos: Die Richter sahen in der Aktion nicht nur eine erhebliche Pflichtverletzung, sondern auch einen Eingriff in die Freiheit eines anderen. Die ARAG Experten weisen darauf hin, dass eine Abnahmung unter diesen Umstรคnden nicht notwendig und die Weiterbeschรคftigung sogar unzumutbar ist (Az.: 5 Ca 1397/20).
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