Mittwoch, 15 Mai 2024
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Emil und die zeitlosen Witze: Schweizer Kabarettist wird 90

Einer, der 90 wird, muss es ja wissen: Rentnern könne es trotz unbeschränkter Freizeit dank der vielen angebotenen Kurse nie langweilig werden, sagt der Schweizer Kabarettist Emil Steinberger spitzbübisch. «Verpassen Sie den Dreitageskurs nicht: Wir basteln Kleiderbügel aus leeren Bierdosen», sagt er wie der Sprecher eines Werbeslogans und schiebt dann hinterher: «Das kann lustig werden, denn die Bierdosen müssen ja leer sein.»

Mit solchen Kalauern hat Steinberger die Lacher seit gefühlt ewigen Zeiten auf seiner Seite. Ihm selbst ist das Rentnerleben fremd, bis heute. 2022 stand er mehr als 60 Mal mit einem abendfüllenden Programm auf Kleinkunstbühnen. Am 6. Januar wird er 90 Jahre alt.

«Eine der häufigsten Fragen, die mir gestellt wird: Warum tun Sie sich das an, abends zwei Stunden auf der Bühne zu stehen?», sagt Steinberger der Deutschen Presse-Agentur. «Na, es muss mir ja wohl Spaß machen, sonst würde ich es nicht tun.» Für ihn sei die Bühne wie eine Medizin. «Manchmal merkt man vor dem Auftritt, dass eine Grippe im Anzug ist. Dann tritt man auf – und wenn man fertig ist, ist davon nichts mehr zu spüren», sagt er.

Schweizer Nationalheiligtum

Steinberger gilt vielen Schweizern sozusagen als Nationalheiligtum, als Teil des Schweizer Kulturgutes und Humor-Ikone. Er winkt bei solchen Ehrenbezeugungen immer ab, obwohl er vergnügt Preise sammelt, Interviews gibt und auf sozialen Medien wie Facebook und Twitter (@OriginalEmil) aktiv ist.

Steinberger ist seinem Stil treu geblieben: Kalauer, die das menschliche Wesen berühren, in denen sich die Menschen wiederfinden, weil sie solche Szenen vielleicht selbst erlebt haben. Schalterbeamte zum Beispiel, die manchmal auf Paragrafen herumreiten und Kunden auf die Palme treiben. Oder der Vater, der auf der verbissenen Suche nach einer lockeren Schraube einen Kinderwagen fast auf den Kopf stellt und vergisst, dass das Baby da noch drin liegt. «Es gibt Nummern, die funktionieren nach 40 Jahren noch», sagt Steinberger.

In Deutschland waren Steinbergers Auftritte im Fernsehen in den 70er und 80er Jahren Straßenfeger. Die Familie versammelte sich zum gemeinsamen Ablachen. Schreiend komisch war für viele schon der schweizerische Einschlag, wenn Steinberger etwa eine Nummer über das Einparken brachte, «Parkieren» auf Schweizerdeutsch.

Frühe Leidenschaft

Steinberger war in den 1950er Jahren zunächst Postbeamter, doch ließ die schon zu Schulzeiten entdeckte Leidenschaft zur Bühne ihn nicht los. Er kündigte und startete 1964 mit dem Programm «Emil und die 40 Räuber» als Kabarettist. Ein bisschen Trotteligkeit, viel Wortwitz, niemals Bloßstellen – das mögen Anhänger heutiger Comedy-Größen altmodisch finden, aber es kommt an. Und die Mimik: Er habe mal eine Zuschauerin gefragt, ob ihre kleine Tochter sich nicht langweile, sagt Steinberger. «Sie sagte: Die Kleine hat nur auf Ihre Augenbrauen geschaut und sich köstlich amüsiert.»

Mit seiner aus Wermelskirchen in Nordrhein-Westfalen stammenden zweiten Frau Niccel (57) lebt Steinberger heute in Basel. «Niccel, ausgesprochen wie Gucci» stellt Steinberger seine Frau gerne vor. Sie lernten sich in New York kennen, wo Steinberger in den 90er Jahren mal eine mehrjährige Pause vom europäischen Kabarett-Leben einlegte. Niccel Steinberger malt, fotografiert und schreibt im eigenen Verlag Bücher, mit Vorliebe über den Humor und das Lachen.

Emil Steinberger arbeitet an einer Biografie, wie er sagt, kommt aber angesichts der vielen Auftritte und Termine kaum voran. «Es ist so viel passiert, und das Leben geht weiter und es passiert immer wieder etwas Neues», sagt er. Die Veröffentlichung sei nicht in Sicht.

Das Schweizer Fernsehen zeigt rund um das Geburtstagsdatum einige Emil-Bühnenprogramme und den Film «Die Schweizermacher» von 1978 über die schwierige Einbürgerung in der Schweiz. Darin ist Steinberger als Einwanderungsbeamter zu sehen, der bei Antragstellern zu Hause herumschnüffeln muss. Es war einer der erfolgreichsten Schweizer Filme aller Zeiten.

Eine Geburtstagsgala oder ein großes Fest gibt es nicht. «Ich kenne Leute, die ihren 90. mit Bankett und vielen Gästen gefeiert haben, und dann vom Stress tot umgefallen sind», sagt er.

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