Neuerscheinung: DAS LIED DES WALDES. Bestsellerautorin Julia Kröhn schreibt über Naturschutz und Liebe. Interview.
Eine Million weltweit verkaufte Bücher: Romanautorin und Historikerin Julia Kröhn schreibt die Schmöker, die uns in frühere, aufregende Zeiten versetzen. Die Wahlfrankfurterin mit österreichischen Wurzeln liebt die akribische Recherche und Geschichten mit Herz- und Kämpferblut. Unter dem Pseudonym Klara Jahn hat die bekannte Autorin im Heyne Verlag einen neuen Roman (und Hörbuch) vorgelegt. Im Mittelpunkt: Die Weisheit eines besonderen Ortes durch alle Zeiten.
DAS LIED DES WALDES. Aus dem Klappentext: „Nach dem Tod ihrer Mutter kehrt Veronika in ihr Elternhaus im Nürnberger Reichswald zurück, um dessen Verkauf abzuwickeln. Ganz ungelegen kommt ihr diese Flucht aufs Land nicht: Ihre Ehe liegt in Scherben, von ihrem Job und sich selbst ist sie entfremdet. Die Kindheitserinnerungen in dem alten Forsthaus und das Wiedersehen mit ihrer Jugendliebe überwältigen Veronika – da entdeckt sie alte Aufzeichnungen über Anna Stromer, die sich im 14. Jahrhundert mit Pioniergeist für den Schutz des Waldes eingesetzt hat. In Annas Geschichte findet sie Trost und Inspiration, und es entwickelt sich ein besonderes Band zwischen den beiden Frauen, denen derselbe Ort durch die Zeiten hindurch Kraft gibt.“
Julia Kröhn, wie kam die Idee zum Buch?
„Ich habe mich im Wald immer schon sehr wohl gefühlt, mache gerne Waldspaziergänge, und mir ist es stets wichtig, in der Nähe eines Waldes oder zumindest von Bäumen zu leben.
Doch obwohl ich Historikerin bin – mit der Geschichte des Waldes habe ich mich nie richtig beschäftigt. Erst vor zwei Jahren stieß ich auf eine faszinierende Begebenheit, die sich im mittelalterlichen Nürnberg zugetragen hat. Damals wurde im Nürnberger Reichswald die erste künstliche Waldsaat ausgebracht, sozusagen die Grundlage für die moderne Forstwirtschaft bzw. den Waldschutz gelegt, und ich wusste bald: Das wird das Thema meines neuen Romans.“
Warum ist DAS LIED DES WALDES so aktuell?
„Zum einen ist der Schutz des Waldes von tiefer Notwendig- und Dringlichkeit, denn man darf nie vergessen: Der Wald braucht die Menschen nicht – aber die Menschen brauchen den Wald. Es gilt bei besagtem Waldschutz aber auch sehr behutsam und kundig vorzugeben, denn die Einmischung in ein so sensibles Ökosystem hat oft trotz gutem Willen zu Riesenschäden geführt. Zum anderen glaube ich, dass in sehr vielen Menschen eine tiefe Sehnsucht nach Naturverbundenheit, innerem Einklang, Stille und Seelenfrieden wohnt – und all das kann man an kaum einem Ort so gut finden wie im Wald.“
Welche historischen Quellen konnten Sie dafür nutzen?
„Ich habe natürlich sehr viel Fachliteratur zum Thema Wald und dem mittelalterlichen Nürnberg gelesen. Gerade bei letzterem Thema war das ‚Püchel von meim geslecht und von abentewr‘ unverzichtbar, das der Nürnberger Ratsherr Ulmann Stromer – einer meine Protagonisten – im 14. Jahrhundert verfasst hat. Diese Quelle gilt als eine der frühesten Stadt- und Familienchroniken mit autobiographischen Zügen in deutscher Sprache.“
Wie entwickelt sich die Liebesgeschichte?
„In meinem Buch gibt es zwei Handlungsstränge: Zum einen erzähle ich die Geschichte von Anna Stromer, Ulmanns Tochter, die eine ganz besondere Beziehung zum Wald entwickelt und sich für dessen Schutz stark macht. Wer ihr dabei treu zur Seite steht, ist Sebald Vorchtel, der später auch ihr Ehemann wird. Anna und Sebald sind historische Persönlichkeiten, über deren Leben man aber so gut wie gar nichts weiß – weswegen ich meiner Fantasie freien Lauf lassen konnte.
Annas Geschichte verwebe ich mit einem Handlungsstrang, der in der Gegenwart spielt. Im Mittelpunkt steht hier Veronika, die von einer Lebenskrise zurück ins Forsthaus getrieben wird, in dem sie aufgewachsen ist: ihre Ehe ist zerbrochen, ihre Tochter wird flügge und ihre Karriere droht zu scheitern. Die Konfrontation mit der Vergangenheit reißt viele alte Wunden auf – und erst recht tut das ihr Wiedersehen mit ihrer Jugendliebe Martin.
Insofern gibt es gleich zwei Liebesgeschichten in dem Buch – wobei ich auch noch eine dritte erwähnen möchte, spielt doch auch die Liebe zum Wald eine sehr, sehr große Rolle.“
Gibt es eine Weisheit des Waldes?
„Ich denke, dass uns der Wald sehr viel lehrt: Mal einen Gang zurückzuschalten, Dingen ihren Lauf zu lassen, das Bewusstsein, Teil eines großen Kreislaufes zu sein, die Erkenntnis, dass das Winzige, Unsichtbare, tief unter der Erde Schlummernde genauso wichtig ist wie das Große, Machtvolle Sichtbare, auch, dass der Tod zum Leben gehört …“
Was ist typisch für Klara Jahn, eines Ihrer Pseudonyme?
„Meine Klara-Jahn-Bücher sind beide vor einer sehr starken, beeindruckenden Kulisse angesiedelt – einmal sind das die Halligen, einmal der Nürnberger Reichswald. Das heißt, die Natur und die Frage, wie sie sich bewahren lässt, stehen im Mittelpunkt. Diese Auseinandersetzung mit der Natur, der Landschaft, der Einsamkeit etc. korreliert bei meinen Romanfiguren immer auch mit der Suche nach der eigenen Identität, dem Lebenssinn, den nährenden Wurzeln. Im Grunde könnte man die Botschaft zusammenfassen mit: ‚Finde den Weg in die Natur und du findest Weg zu dir selbst‘.“
In Ihren Romanen geht es oft um starke Frauen, was macht sie so stark?
„Ich tue mich mit dem Attribut ‚stark‘ ein wenig schwer – denn wenn es als erstrebenswert gilt, stark zu sein, erscheint das Gegenteil, nämlich schwach zu sein, als Makel. Ich finde aber, dass es eine große Stärke ist, Schwäche zu zeigen. Das tun meine beiden Protagonistinnen – sowohl Anna als auch Veronika. Sie machen auch viele Fehler, treffen komplett falsche Entscheidungen. Aber am Ende – und das ist es, was letztlich zählt – finden sie zu sich. Und das ist meines Erachtens das Ziel: Nicht stark zu sein, sondern authentisch zu leben, seine Ressourcen auszuschöpfen und mit sich im Reinen zu sein.“
Genießen Sie es im Moment mehr als sonst, fern der Gegenwart zu schreiben?
„Ich habe nicht das Gefühl, mich dieser Tage von der Gegenwart zu entfernen, indem ich über die Vergangenheit schreibe – im Gegenteil: Die Vergangenheit holt mich ein, scheint so gegenwärtig wie nie. All die Themen, die viele meiner Bücher prägen – Krieg, Diktatur, Widerstand, Flucht, aber auch die Sehnsucht nach Frieden und Menschlichkeit – sind von solch frappierender Aktualität, dass es fast unerträglich ist. Wie gerne würde ich all die dunklen Themen in einem Geschichtsbuch einsperren – doch leider ziehen sie sich wie ein roter Faden durch die Menschheitsgeschichte, und es war wohl naiv zu glauben, dass selbiger zumindest in Europa gekappt wurde.“
Das Interview führte Jutta Failing www.glueckshaut.de
DAS LIED DES WALDES, Heyne Verlag, erscheint am 21. März 2022.