Von Regina Schamberger
Krafttier Schmetterling: Ich beschäftigte mich viel mit Geschichten und Mythen und an eine ganz besondere erinnere ich mich jedes Jahr gerne. Immer dann, wenn ich die filigranen, schimmernden Schönheiten sehe, wie sie lautlos an mir vorbei flattern, auf einer Blume innehalten und wie Traumgespinste in den nächsten Sonnenstrahl entschwinden: Schmetterlinge.
Auch hierzu fand ich ein passendes Zitat von Mr. Nathaniel Hawthorne (1804 – 1864), US-amerikanischer Erzähler:
„Glück ist wie ein Schmetterling.
Will man es einfangen, so entwischt es einem immer wieder.
Doch wenn du geduldig abwartest, lässt es sich vielleicht von selbst auf deiner Hand nieder.“
Der Schmetterling gilt in einigen alten Kulturen als Krafttier. Er steht für Hoffnung und Transformation und ist nach altägyptischem, römischem oder indianischem Glauben Symbol für die menschliche Seele. In Mexiko glaubt man, dass Schmetterlinge die zurückgekehrten Seelen der Verstorbenen sind und es heißt auch, dass sie uns weisen sollen, was gerade wichtig ist für uns. Auch in Japan glaubt man, dass der Schmetterling eng verbunden mit kürzlich verstorbenen Seelen ist.
Ein Schmetterling kennt die Strapazen der Veränderung nur zu gut: ehe er zum fliegenden Kunstwerk wird, kriecht eine dicke, vollgefressene Raupe durch die Gegend, die zu einer unförmigen Puppe an einem Zweig wird. Wie daraus schließlich ein solch anmutiges Wesen wie ein Schmetterling wird, ist eine der faszinierenden Künste der Natur.
Ich für meinen Teil sehe im Schmetterling einen Boten, der mir eine Nachricht überbringt. Ein lautloses „Hallo!“ aus einer anderen Welt, zu der weder ich, noch Sie, liebe Leser, noch irgendjemand, der lebendig ist, Zugang hat. Eine Welt, in der jene weilen, die von uns gegangen sind. Die wir schmerzlich vermissen, die wir vielleicht nie wieder sehen? Darüber zu debattieren würde eine eigene Ausgabe „Einblicke“ in Anspruch nehmen. Ich möchte Ihnen einen hoffentlich schönen Gedanken mit auf den Weg geben, der mich immer dann streift, wenn ein Schmetterling ganz nah an mir vorbei flattert:
Wenn der Frühling die frostige Zeit des Winters vertreibt und die Ahnung von Sommer bringt, wenn die ersten Sonnenstrahlen durch die dichten Wolkenfelder brechen, wenn die Zeit beginnt, da sich dicke Raupen verpuppen, um Schmetterlinge zu werden, dann haben die Verstorbenen, die in einer anderen Welt sind, die Möglichkeit, ihren Lieben im Diesseits eine Nachricht zu schicken.
Die Botschaft darf nicht groß sein; selbst ein einziges Blatt ist viel zu schwer für den Schmetterling, der sie tragen soll. Die Verstorbenen tragen dem kleinen, federleichten Ding auf, einfach vorbeizufliegen, am Ehemann, an den Kindern, Enkeln oder Kindheitsfreunden und mit ihren Flügeln zu schlagen und zu leuchten. Sie sagen ihnen: „Bitte, lande für einen Moment in der Nähe meiner Freunde, denn ich weiß nicht, ob sie dich bemerken, wenn du nur kurz an ihnen vorbeifliegst. Ich möchte, dass sie meinen Gruß wahrnehmen.“
Wenn ein Schmetterling an mir vorbeifliegt, lächle ich deshalb und flüstere: „Hallo, Oma.“
Ich finde, das ist eine schöne Vorstellung. Vielleicht denken Sie daran, wenn Sie einen Schmetterling sehen. Und wenn Sie einen sehen, der erschöpft ist, geben Sie ihm ein paar Löffel Wasser mit Zucker, das stärkt die geflügelten Tänzer wieder.