Libido beginnt nicht im Körper – sondern im Kontakt
Lust entsteht nicht auf Kommando.
Sie kommt nicht, wenn wir sollen. Und sie bleibt schon gar nicht, wenn wir sie festhalten wollen.
Lust ist zart.
Sie zeigt sich, wenn wir uns selbst spüren.
Wenn wir uns gesehen fühlen.
Und wenn unser Inneres Ja sagt – nicht zum Sex, sondern zum Leben.
Viele denken, Libido sei etwas Körperliches.
Ein hormoneller Vorgang, ein Bedürfnis, das sich einfach einstellt.
Doch die Wahrheit ist viel leiser – und viel menschlicher.
Libido beginnt nicht im Körper. Sie beginnt im Kontakt.
Mit dir.
Und dann – erst dann – mit dem anderen.
Wenn Lust fehlt, ist das kein Mangel, sondern ein Weckruf
Lustverlust ist kein Defekt.
Kein Zeichen dafür, dass mit deiner Beziehung etwas nicht stimmt.
Und schon gar kein Beweis für den falschen Partner.
Viel öfter ist er ein stiller Hinweis:
👉 Du hast den Zugang zu dir selbst verloren.
Du funktionierst, aber du fühlst dich nicht mehr.
Du gibst, aber du spürst deine eigenen Grenzen nicht.
Du sehnst dich, aber du weißt nicht mehr, wonach.
Das Leben rauscht an dir vorbei –
und mit ihm dein Desire.
Desire meint mehr als sexuelle Lust
Desire ist ein inneres Brennen.
Eine vibrierende Sehnsucht, die dich lebendig macht –
im Gespräch, beim Kochen, im Lachen, im Tanzen.
In der Art, wie du die Welt berührst. Und dich selbst.
Desire beginnt bei dir.
Nicht beim Partner.
Wenn die eigene Lust schwindet
Viele suchen dann den Fehler beim Gegenüber:
„Er ist zu distanziert.“
„Sie ist nicht mehr wie früher.“
„Wir passen wohl nicht zusammen.“
Doch wer sich ehrlich fragt „Warum will ich eigentlich nicht mehr?“,
kommt oft an einen anderen Punkt.
Vielleicht hast du dich selbst aus den Augen verloren.
Hast aufgehört, dich zu nähren.
Dich zu spüren. Für dich da zu sein.
Vielleicht warst du zu beschäftigt, für alle anderen da zu sein.
Denn Desire kommt nicht durch äußere Reize,
sondern durch innere Rückverbindung.
Frag dich:
- Was bewegt mich wirklich?
- Wann habe ich das letzte Mal etwas nur für mich getan?
- Erlaube ich mir, mich selbst zu begehren – ganz ohne Zweck?
Lust entsteht im Dazwischen
Wer glaubt, sexuelles Verlangen beginne im Schlafzimmer, liegt falsch.
Desire wächst nicht beim Vorspiel.
Es beginnt weit vorher – im letzten Blick, im offenen Gespräch,
in einem Moment ehrlicher Zuwendung.
Desire entsteht im Alltag.
In der Art, wie wir uns begegnen.
Ob da Raum ist für Nähe, Verletzlichkeit, Humor.
Für echte Verbindung.
Wenn ich mich in einer Beziehung sicher fühle –
nicht kontrolliert, nicht bewertet, sondern gesehen –
dann darf Lust wachsen.
Nicht wie ein Befehl, sondern wie eine Blüte.
Oft sind es die kleinen Dinge:
Ein berührender Satz. Ein unaufdringlicher Blick.
Ein ehrliches „Ich sehe dich.“
Hier beginnt sie – die Lust.
Und nicht beim Ausziehen.
Unternehmen ohne Desire sind wie Beziehungen ohne Nähe
Was auf Paarebene gilt, lässt sich auch auf Organisationen übertragen.
Denn auch im beruflichen Kontext zeigt sich:
Lebendigkeit kommt nicht durch Druck, sondern durch echten Kontakt.
Mitarbeitende, die innerlich gekündigt haben, funktionieren vielleicht –
aber sie brennen nicht.
Es fehlt der innere Funke.
Das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun.
Gesehen zu werden. Teil von etwas zu sein.
Auch hier beginnt Desire im Kontakt –
zwischen Führung und Team,
zwischen Vision und Alltag,
zwischen Mensch und Aufgabe.
Wer nur auf Effizienz setzt, verliert die Lust.
Und damit das, was echte Veränderung möglich macht.
Lust lässt sich nicht zwingen – aber sie lässt sich einladen
Du kannst Lust nicht herbeidenken.
Aber du kannst sie einladen.
Mit einem inneren Ja – zu dir, zu deinem Körper, zu deinen Wünschen.
Frag dich:
- Was gibt mir gerade Energie?
- Was nährt mich wirklich?
- Was fehlt mir?
- Wie kann ich mir selbst wieder nah sein – ohne Ziel, ohne Erwartung?
Vielleicht beginnt deine Lust nicht mit Sex.
Sondern mit einem Spaziergang.
Mit Musik. Mit dem Geruch von Kaffee.
Mit der Entscheidung, dich selbst wieder ernst zu nehmen.
Und dir zu erlauben, lebendig zu sein.
Fazit
Libido ist keine Funktion, die kaputtgeht.
Sie ist ein Barometer für Lebendigkeit.
Wenn sie still wird, will sie gehört werden –
nicht weggedrückt, nicht analysiert, nicht optimiert.
Lust beginnt im Kontakt.
Mit dem, was in dir lebendig ist.
Und mit dem Menschen, der das sehen darf.
Vielleicht ist genau jetzt der Moment, wieder hinzuspüren.
Nicht, was du leisten musst –
sondern, was dich leuchten lässt. ✨

Über die Autorin
Dr. Mary (PD Dr. med. Mariam Arndt) ist habilitierte Ärztin, Psychotherapeutin, Sexualtherapeutin, Paarcoach und Dozentin an der Universität zu Köln. Seit 25 Jahren begleitet sie Menschen in Fragen rund um Intimität, Beziehung und emotionale Gesundheit. Ihre Arbeit ist medizinisch fundiert, psychologisch tief und immer auf Augenhöhe. Dr. Mary schafft Räume für Selbstverbindung, Beziehungsintelligenz und heilsame Veränderung.



