Freitag, 15 November 2024
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Mahner für Freiheit: Salman Rushdie wird 75

Meistererzähler, Provokateur und Ikone der Meinungsfreiheit: Vor mehr als 30 Jahren wurde der britisch-indische Schriftsteller Salman Rushdie per Fatwa vom damaligen iranischen Revolutionsführer Ajatollah Khomeini zum Tode verurteilt. Doch er lebt immer noch. Am 19. Juni feiert er seinen 75. Geburtstag.

Grenzgänger zwischen den Kulturen

Geboren wurde Rushdie im Jahr der indischen Unabhängigkeit 1947 in der Metropole Mumbai (damals Bombay) als Sohn eines erfolgreichen Geschäftsmanns. Über seine Kindheit in Indien sagte er einmal, sie habe ihn mit einem «Lagerhaus an fantastischen Erzählungen» beschenkt, «wundervolle Geschichten aller Art».

Mit 14 Jahren wurde er zum Grenzgänger zwischen den Kulturen, als er auf das englische Eliteinternat Rugby geschickt wurde. Dort musste er die schmerzhafte Erfahrung machen, «nicht nach meinem Charakter, meiner Person beurteilt zu werden, sondern nach meiner Ethnizität», wie er einmal schrieb. Er studierte später Geschichte am King’s College in Cambridge.

Das Thema Migration zieht sich quer durch sein Werk. Rushdie betrachtet sie als große Bereicherung und fühlt sich zunehmend in der Pflicht, das auch zu sagen: «Eine der Sachen, die mich wirklich gefreut hat, war zu lesen, dass die beiden Wissenschaftler, die in Deutschland den Pfizer-Impfstoff entwickelt haben, türkische Immigranten waren», sagte Rushdie in einem Interview Anfang Februar im Rahmen des Edinburgh International Book Festival. Das sei «ziemlich schön», befand er.

Seinen Durchbruch hatte er mit dem Buch «Mitternachtskinder» («Midnight’s Children») erreicht, das 1981 mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet wurde und zwei Mal seither zum besten Booker-Prize-Gewinner gewählt wurde. Er erzählt darin die Geschichte von der Loslösung Indiens vom Britischen Empire anhand der Lebensgeschichte von Protagonisten, die genau zur Stunde der Unabhängigkeit geboren werden und mit übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet sind.

Von Khomeini zum Tode verurteilt

Ebenfalls zu großer Bekanntheit, jedoch auf andere Weise, verhalf ihm der Roman «Satanische Verse» («Satanic Verses»), der von einigen Muslimen als blasphemisch verurteilt wurde. Seinen Höhepunkt fand die Kontroverse, als Irans Revolutionsführer Ajatollah Khomeini ein islamisches Rechtsgutachten erließ, das zur Tötung Rushdies und all derer aufrief, die an der Verbreitung des Buches beteiligt waren. Ein japanischer Übersetzer wurde später tatsächlich getötet. Rushdie musste untertauchen, erhielt Polizeischutz.

Als wäre das nicht Sorge genug, lieferte er sich eine jahrelange im Feuilleton des «Guardian» ausgetragene Fehde mit dem inzwischen gestorbenen Autor John Le Carré, der ihm vorwarf, das Unheil selbst über sich gebracht zu haben. Rushdie revanchierte sich unter anderem, in dem er Le Carré als Wichtigtuer (pompous ass) bezeichnete. Später legten die beiden den Streit bei und äußerten Bedauern darüber.

Nach Angaben seines Verlags aus dem vergangenen Jahr hat die «Fatwa» des Ajatollahs für Rushdie inzwischen aber längst keine Bedeutung mehr. Er sei nicht mehr eingeschränkt in seiner Bewegungsfreiheit und brauche auch keine Bodyguards mehr. Die Jahre des Versteckens gingen jedoch nicht spurlos an ihm vorüber. Er verarbeitete diese Zeit in der nach seinem Aliasnamen benannten Autobiografie «Joseph Anton» aus dem Jahr 2012.

Gegen Trumpisten und Corona-Leugner

Rushdies Stil wird als Magischer Realismus bezeichnet, in dem sich realistische mit fantastischen Ereignissen verweben. Dennoch sieht er sich unbedingt der Wahrheit verpflichtet. «Die Literatur, welche Technik auch immer sie verwendet, realistisch oder fantastisch, versucht einem eine Form der Wahrheit über das menschliche Wesen zu vermitteln», erläutert er.

Wahrheit, die er als Konzept zunehmend in Gefahr sieht, steht auch im Zentrum seiner jüngsten Veröffentlichung, einer Sammlung von Essays, die in Deutschland unter dem Titel «Sprachen der Wahrheit» herauskam. Der seit vielen Jahren in New York lebende Schriftsteller stemmt sich gegen Trumpisten und Corona-Leugner. «Die Wahrheit ist ein Kampf, das ist keine Frage. Und vielleicht noch nie so sehr wie jetzt», sagte er in einem Interview des US-Senders PBS im vergangenen Jahr.

Rushdie veröffentlichte insgesamt mehr als zwei Dutzend Romane, Sachbücher und andere Schriften. Im Jahr 2007 wurde er von der Queen zum Ritter geschlagen. Dass er bald in den Ruhestand gehen könnte, deutet sich auch mit 75 keineswegs an. Im Gegenteil, immer wieder mischt sich Rushdie selbst in hitzig geführte gesellschaftliche Debatten ein und scheut sich nicht davor anzuecken. Beispielsweise ist er kein Fan der auch als «Cancel-Culture» bezeichneten Bereitschaft, bestimmte Meinungsäußerungen – selbst aus gut gemeinten Gründen – zu unterdrücken. Rushdie formuliert es so: «Es gibt kein Recht darauf, nicht gekränkt zu werden.»

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