SPINNEN-ALARM! Wie man die Angst vor Spinnen verliert.
Haben Sie schon mal einen Ammen-Dornfinger in der Natur gesehen? Die aus dem mediterranen Raum stammende Spinne hat es mรคchtig in sich. Das Internet(z) informiert ausfรผhrlich รผber ihr Nervengift und die schmerzhaften Stiche. Immer hรคufiger wird der zugereiste Giftzwerg in Deutschland gesehen. Horror-Schwester Tarantula wรคre bei diesen (unter der Lupe) beindruckenden Kieferklauen direkt neidisch.
Jetzt im August sind die Mรคnnchen schon tot und die Ammen-Mama baut ihr Nest im Gras, ein hรผhnereigroรes Gespinst mit oft mehr als 150 Eiern. Der Brutkokon. Ich habe neulich tatsรคchlich einen gesehen, im kniehohen Gras. But: never touch a Ammen-Kokon! Dann wird Mutti nรคmlich sehr bรถse, denn sie ist eine wahre Lรถwenmutter, eine bissfeste Amme, was fรผr sie spricht, sie will nur ihre Brut schรผtzen. Bis November entlรคsst sie die groรe Kinderschar in die Freiheit โ und stirbt im Nest an Entkrรคftung. Die Jungspinnen รผberwintern in welken Blรคttern, die am Boden liegen. Ein neuer Kreislauf beginnt.
Da der Ammen-Dornfinger-Dame kein Netz baut, sie ist eine Jรคgerin, wehen im bald nahen Altweibersommer nicht ihre Fรคden wie lange graue Haare durch die Lรผfte und kรผndigen kรคltere Tage an.
Ab Frรผhherbst bekommen andere Spinnenarten acht kalte Fรผรe und schlรผpfen in die Hรคuser. Manchmal fordern riesige Exemplare, die kaum in ein Einmachglas gehen, bei mir ihr Winterquartier ein. Warum eigentlich immer ein Stopp-over in der Badewanne? Ich kann nicht anders, ich muss schreien. Hauswinkelspinnen, vom Sommer fett geworden. Und schnell sind die! Einmal liege ich im Bett, Nachtischlampe an, lese, und ein Exemplar flitzt wie ein 100 Meter-Champion durchs Zimmer. Mehr als eine Stunde habe ich nach dem Tier gesucht, ich hรคtte ohnehin nicht mehr schlafen kรถnnen.
Ich bin dabei, meinen Frieden mit den Spinnen zu machen. Mit den kleinen jedenfalls. Die Schreie sind leiser geworden. Und was weiร ich nicht weiร, macht mich nicht heiร: Im subtropischen Klima der US-Sรผdstaaten lebte ich wochenlang ahnungslos in der Nรคhe von Schwarzen Witwen. Die winzigen Tiere sind dort hochgefรผrchtet, vor allem warnt man Kinder in die Nรคhe der Nester zu gehen. Die glรคnzend-schwarzen Tiere sind wunderschรถn, geradezu elegant, was sie Zecken ganz klar voraushaben.
Ich denke, wenn Spinnen rosa wรคren oder hรผbsch kariert, hรคtten sie es bei uns Menschen einfacher und wir mit ihnen. Wir wรผrden sie heiร und innig lieben und ihnen schรถne Namen geben. Doch so. Schwarz, braun. Thekla. Ihre Gestalt, die vielen Augen, spricht vermutlich uralte Instinkte an. Und sicher haben sich schon Hรถhlenmenschen den Kopf angestoรen als sie sich vor einer dicken Spinne erschreckten.
Eine liebevolle Hommage an die Spinne ist das Kinderbuch โWilbur und Charlotteโ (1952) von Elwyn Brooks White. Ich lege es jedem ans Herz. Ein Bauernhofschwein schlieรt mit einer Spinne Freundschaft. So hinreiรend schรถn, bittersรผร und klug erzรคhlt. Die ungewรถhnlich talentierte Spinne rettet das Schwein Wilbur vor dem Schlachter, in sie Wรถrter in ihr Netz schreibt. Vor allem die alte Zeichentrickverfilmung ist ein Genuss. Und im Herbst heiรen alle Hauswinkelspinnen bei mir wieder Charlotte. Und ich hรถre im Geist die rauchige Stimme der fabelhaften Debbie Reynolds, die im Film die Spinne spricht: โTrust me, trust me.โ
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