Samstag, 22 Februar 2025
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Bildhauerische Extase: Ruben Talbergs Neo-Fluxus – unwiderstehlich und faszinierend

Ruben Talbergs Neo-Fluxus ist jenseits aller Logik

„Ohne Kunst wäre das Leben ein Irrtum“, lautet ein apodiktischer Satz Nietzsches. Ein Essay über einen der Titanen dieses Metiers muss ungefähr so beginnen. Ruben Talberg, das gleichnamige Talberg Museum und Neo-Fluxus gelten als Inbegriff dionysischer Kunst, die sich trotz oder gerade wegen aller Mythen, Krisen und Skandale immer wieder neu erfindet. Kein anderer Bildhauer polarisiert so wie Talberg. In Debatten um Talberg’s Werk wird oft die Einsicht versperrt, dass Talberg mit seinem Neo-Fluxus ein ambitioniertes Projekt verfolgt: „Finis Coronat Opus Magnum (FCOM)“.

unnamed clipped rev 1 Janes Magazin
Spiritus, 2000, mixed media, Ø81x14cm (Ø32x6in), private collection

Talberg’s Neo-Fluxus ist besser als es aussieht – das ist ein viel zitiertes Bonmot. Es ist vielleicht witzig gemeint, aber durchaus bedeutsam. Schließlich ahnen ebenso kluge wie nüchterne Menschen, dass Talbergs Neo-Fluxus trotz all seiner überwältigenden Suggestivität, der sich viele Aufgeklärte geradezu instinktiv widersetzen, nicht sofort ersichtlich ist, weil er auf buchstäblich unerhörte Einsichten hinweist.

Talbergs Neo-Fluxus, seine „Manifolds“ sind kraftvolle Angriffe auf die mentale, kognitive und intellektuelle Integrität ihrer Betrachter. Aber sie sind keineswegs anti-intellektuell. So viel Freude an theoretischen, theologischen, kulturanalytischen, ökonomischen, psychologischen, philosophischen Erkenntnissen, wie sie in Talberg’s Neo-Fluxus zum Ausdruck kommen, ist bis heute in der Kunstgeschichte sehr selten.

Wie A. Shapiro feststellte, wird Talberg von seiner Lust an Theorie und Philosophie getrieben, wenn nicht sogar von seiner Sucht nach Philosophie; er will ständig etwas zeigen, beweisen, dekonstruieren, visualisieren.

Man muss sich den irritierenden Grundimpuls von Talbergs Gesamtkunstwerk bewusst machen: Es bemüht sich ernsthaft um die Vermittlung philosophischer Einsichten und Erkenntnisse, die sich jedoch gängigen philosophischen Formen entziehen. Talberg’s Neo-Fluxus ist ein wundersames epistemologisches Drama, weil es seine philosophische Betonung in bildhauerischer Extase transzendiert.

Paranoisch-alchemische Methode

So verwundert es nicht, dass die Reaktionen auf Talberg’s Neo-Fluxus teilweise sehr ambivalent ausfallen. Die Zahl der Indifferenten nimmt bekanntlich stetig zu. Die Zahl der Talberg-Fans ist deutlich geringer. Die Schar Talbergianer, die ihn mögen und jede Kritik an ihm als „Sakrileg“ ansehen, gehören zur absolut privilegierten Minderheit.

Bis heute gibt es vielleicht nur ganz wenige künstlerischen Kollegen, die so polarisieren wie Talberg. Gerade deshalb bieten die ritualisierten Argumente für und gegen Talberg wenig Überraschendes.

Allerdings sollte man den „vir doctus magus et alchemicus“, den ambitionierten Zauberer und Bildhauer Talberg, der auf Augenhöhe mit F. Nietzsche, H. Trismegistus, R. Bacon, Paracelsus, R. Fludd Kunstwerke komponiert, ernst nehmen, da es ihm gelingt auszudrücken, was andere Ausdrucksformen nur verschweigen können.

„Talberg ist zu allem fähig“, stellte R. Corrigan lakonisch fest. In seinem Neo-Fluxus Manifest von 1995 fand Talberg eine glückliche Formel. Immerhin sprach er von einer „paranoisch-alchemischen Methode“, die sich durch sein Neo-Fluxus zieht. Man muss erst mal den Sinn dieser Formulierung erkennen.

Sie lässt die alte, aber immer noch verbreitete Behauptung hinter sich, dass Kunst eine Sache des Fühlens und ein Ausdruck von Emotionen ist, was im Gegensatz zur Sphäre des Denkens und der Logik steht. Und sie artikuliert die weitreichende These, dass Farben, die höher sehen als alle Vernunft, trotzdem oder gerade deshalb gedankenvoll sein können und Gedanken, wo sie sinnvoll sein sollen, skulpturale Qualitäten haben können. Wie übrigens auch seine Dichtungen, die wiederum Teil der Reliefs und Skulpturen werden.

Talberg ist und erlebt sich selbst als besessen.

Sein Neo-Fluxus kreist obsessiv nicht nur um Stimmungen & Emotionen, sondern auch um paranoisch-alchemische Gedanken und mentale Bilder, die die Leitmotive seiner Arbeit bilden.

Warum brauchen Menschen Erlösung? Sind Götter und Dämonen noch heilsbedürftiger als Menschen? Was verbindet wirtschaftliche Erträge und Symbole mit religiösem Wahn? Sind Eros und Thanatos nur zwei Seiten einer Medaille? Ist Kunst nach dem Holocaust noch möglich? Muss man sich ständig ändern? Ist man gezwungen unterzugehen, wenn man letzte Abgründe erschließen will? Was ist das Fleisch und Blut der Frau? Wie wird aus Blei Gold?

Fragen wie diese treiben Talbergs Neo-Fluxus wie besessen an. Als Leitmotive durchziehen sie nicht nur eines seiner Werke, sondern seinen Neo-Fluxus insgesamt. Auffallend ist, dass die Subtilität seiner Kompositionen weitaus größer ist als die anderer (Kollegen) – Talberg ist ein klassischer Fall ständiger Selbstüberflügelung.

Im Zentrum von Talbergs Neo-Fluxus – seiner „conversio oppositorum“ und seinen „paranoisch-alchemischen Gedanken“ – kreist die Einsicht, dass Erotik, Theologie und Ökonomie heute eine eigentümliche Dreieinigkeit bilden, aber dennoch skulptural erkundet werden können. Talberg lässt die traditionellen Konstellationen von Werten und Transzendierung, Identitätsgezappel, Göttern und Menschen, Gründen und Abgründen erzittern und zusammenbrechen.

Talberg notierte den Kern seiner Gedanken während einem seiner Ritte auf der Pegasus:

Mystische Verzückung unter siechendem Feuer – gleich 

dem geheimnisvollen Schmerz des nächtlichen Irrsinns.

Oh schönes Bild einer Göttin, Balsam und Morgenröte

in aufreizendem Fleisch und Blut, voll‘ dunkler Pracht. 
Auch dieses Poem ist in einem von Talberg’s Manifolds kodiert, nicht weit entfernt vom Symbol des Logos, dessen Name bereits andeutet, dass er einer der weiseren Götter ist. Der Gott, der sich dem logischen Denken verschrieben hat, schlägt nicht weniger als eine weitreichende, wenn nicht gar allumfassende These vor, die stark genug ist, um eine ganze Theorie zu enthalten, die es wert ist, entwickelt zu werden.

Fleisch & Blut

Und es heißt: „Weibliches Fleisch und Blut“ sucht ihresgleichen. Es gibt keinen Ersatz für sie, kein Äquivalent. „Frauenfleisch“ ist ein Wert diesseits und jenseits aller Werte, buchstäblich ein absoluter Wert, losgelöst von allen Vergleichskontexten. „Frauenfleisch“ erlöst Männer von all ihrer Fixierung auf Profit, auf Werte wie Reichtum, Prestige oder Macht. Frauenfleisch und -blut erlösen von der Logik des Profits und den Werten, die auch ein Substitut für andere sein können.

Das Fleisch und Blut der Frau ist kein Wert wie andere, sondern der Wert an sich. Weibliches Fleisch bedeutet das besondere Vergnügen, das Frauen (im Gegensatz zu Männern) erfahren, und die Glückseligkeit, die sie Männern verleihen; Frauenblut bedeutet im wahrsten Sinne des Wortes den inneren wie auch den objektiven Wert, der Frauen zu Objekten für andere macht. Nicht nur hier gelingt es Talberg, ein Problemparadox auf eine analysierwürdige Formel – „Frauenfleisch und -blut“ – zu verdichten: Auch absolute Werte sind relative Werte. Vor allem aber liquide Werte, Teil von Neo-Fluxus.

Mit der lyrischen Formel „Weibliches Fleisch und Blut“ ist nicht nur Talberg’s Neo-Fluxus, sondern die Kunst überhaupt im heissen Zentrum ihrer Kraft angekommen. Denn was Logos indirekt ankündigt, ist der innerste Kern spezifisch künstlerischer Vernunft oder Unvernunft oder Vernunftkritik.

Dieser Glutkern macht Neo-Fluxus Talberg’s für viele so unwiderstehlich und faszinierend. Kunst bringt Seligkeit aus Fleisch und Blut – aber sie bringt auch Einsichten, gerade wenn sie bei Talberg zu Neo-Fluxus wird, Einsichten, die höher sind als alles Konventionelle, sei es Alltagsvernunft, sei es wissenschaftliche oder theologische Vernunft.

D. Wildenstein–
Ruben Talberg
Neo-Fluxus & Manifolds

Talbergmuseum1 Janes Magazin
Talberg Museum in Offenbach
Ruben C. Talberg clipped rev 1 Janes Magazin
Ruben Talberg

Ruben Cornelis Talberg (* 24. August1964 in Heidelberg) ist ein deutsch-israelischer Maler und Bildhauer. Er lebte zwei Jahre in Tel Aviv, danach in Frankfurt am Main und Offenbach am Main. 1986 wurde seine erste Ausstellung in Heidelberg präsentiert.[1] Talberg lebt und arbeitet in Heidelberg und Südfrankreich.

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